Ein melancholischer Exkurs in die GRAFT Vergangenheit.
Die malerische Qualität der Berliner Herbsttage scheint den grau-weiß extrudierten Bürostadtteil im Norden des Hauptbahnhofs, der einem unbelichteten 3D-Rendering ähnelt, zu vermeiden.
Hier befand sich unter der Nummer 50, mehr als zehn Jahre lang, das GRAFT Headquarter – in einem alternden Industriebau, der vor der Umsetzung des Büroquartiers Europacity als eine der wenigen Bauten der Vorkriegszeit, alleine, in der Brachlandschaft der freien Sonnenuntergänge einer sich noch findenden Metropole der Individuellen, stehengeblieben war.
Die städtebauliche Kulisse wird definiert vor dem Hintergrund des Hauptbahnhofs als städtebaulichen Kantenmarkierer, einer postmodernen Abstraktion zweier sich überschneidenden Bahnstrecken, die mit „Harry Potterschem“ vertikalen Rolltreppengewebe-Innenraum versehen, den zerbombten Lehrter Bahnhof versucht in Erinnerung zu rufen und auch gleich wieder auszuradieren.
Diese großmaßstäbliche Hoffnung ist Berlin in dem Krisensturm der 2020er Jahre abhandengekommen. Auch die Ausstellungen des international renommierten Hamburger Bahnhofs schaffen es nicht, einem Quartier, das jünger ist, als das Erasmusprogramm und schon leblos dahinstaubt, genug Leben einzuhauchen. Das Museum für Installationen und moderne Kunst repräsentiert in dieser Gegend als Einziges die Bildenden Künste und den Kulturschatz, den Berlin ausmacht.
Unter windigen Regenwolken klingt die Straßenmusik der Berliner Clochards an, wo GRAFT Mitarbeiter regelmäßig über den Europaplatz eilten. Bei der Tramstation, am Ibis vorbei, über die Invalidenstraße, um dann in die stark befahrene Heidestraße einzubiegen.
Die angereisten Statisten dieser Bürolandschaft treffen nicht auf die jungen Kunstschaffenden und Studenten des Hamburger Bahnhofs, die Touristen der Boote am Nordhafen fahren vorbei und essen anderswo ihren Mittag, besuchen Abendprogramme in Mitte – zwar nicht weit gelegen, aber doch eine andere Welt.
Eigentlich sind alle hier: Angestellte, Büroakteure, Touristen und Deutschlandinnenbewohner – beschäftig und postmodern kommt es daher. Der Puls der Großstadt ist jedoch noch nicht zu spüren. Die parallelen Ströme von Raumnutzern und Passanten finden keine gemeinsame Herzkammer, die dem bewegten Ein-und-Aus Kraft und Inhalt verleihen könnte.
GRAFT bekommt die einzigartige Möglichkeit aus diesen Beobachtungen ein vibrierendes, modernes Zentrum zu schaffen und der melancholischen Gegenwart neue Strahlkraft einzuhauchen.