Ein Instrument für die Stadt

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Ein Instrument für die Stadt

Der Carl-Bechstein-Campus, ein neuer Stadtkörper in der Berliner Europacity, bietet dem Besucher und Nutzer ein Instrument zum Erleben des öffentlichen Raums. Die vielschichtigen programmatischen Anforderungen erzählen von allen Aspekten der Musik und bieten einen unternehmerischen Zugang zu diesem alten Thema, das auch heute noch in der Lage ist, Gemeinschaften über Grenzen und sozialen Status hinweg zu verbinden oder neu zu bilden. Improvisation und Teamgeist haben GRAFT zu diesem jüngsten Wettbewerbsgewinn geführt und werden das zentrale Berliner Quartier wieder beleben.
Die Verbindung unterschiedlicher Akteure, von Studenten über Investoren, Kammermusikern bis hin zu Musikmanagern gibt dem notwendigen Innovationsgeist der heutigen Krisenzeiten neuen Raum und schafft neue Verknüpfungen. Um eine solch facettenreiche räumliche Komposition zu schaffen, konnte sich GRAFT seiner eigenen Methode und Wissenspraktik des GRAFTING bedienen, bei denen zwei nicht miteinander verbundene Themen, in diesem Fall Musik und Architektur, eine hybride Form in einem spezifischen Körper und Ort finden. Durch diese Visionskraft entsteht im Berliner Carl Bechstein Campus eine ausdrucksstarke urbane Komposition.

Präludium / Bestand: Herbstlied an der Heidestraße

Carl Bechstein Campus Volumetric Design
Carl Bechstein Campus - Der große Kammermusiksaal

GRAFT wird architektonischer Identitätsstifter der Klaviermarke Bechstein und formt ein visionäres Raum-Werk, das die Schwingungen der Innenstadt in einem taillierten, vielschichtigen Volumen neu binden soll.

Was heißt es, für Musik zu entwerfen?
Der Wunsch Kompositionen mit architektonischen Entwürfen zu vergleichen, inspiriert Musiker und Architekten seit geraumer Zeit.
GRAFT berichtet über Mehrstimmigkeit, neue Akteure der Kammermusik und wie es ist, ein Gebäude als Instrument erklingen zu lassen.


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GRAFT und Musik: Musik und Architektur als Teamprojekt

GRAFT hat schon immer musiziert: zuerst als Stundentenchor, auch einzeln und besonders viel zusammen. Denn im Gegensatz zur Autorenmusik eines Antonio Vivaldis oder Arnold Schönbergs, bei der die Komposition aus einer Hand auf das Noten- oder im architektonischen Fall, Planpapier kommt, definierte sich GRAFT immer als Ensemble, das in seiner Mehrstimmigkeit eher mit einer Jazzband zu vergleichen ist: alle inspirieren sich gegenseitig und haben auch viel Spaß am Ausdruck.

Die musikalische Expertise von Gründungspartner Thomas Willemeit liegt in seiner Vergangenheit und der aktiven Tätigkeit als Violinist zugrunde – das Entwerfen auf Basis musikalischer Inspirationen arbeitete er in seiner Arbeit zum Entwurfsprozess des von Daniel Libeskind entworfenen Jüdischen Museums auf Basis der Arnold Schönberg Oper „Moses und Aron“ auf. Sein Know-How spielt in den Gesprächen und der Gestaltung des Campus eine große Rolle.

Wie in der Musik, herrscht beim Entwurf immer eine Gleichzeitigkeit von Perspektiven und Bedeutungen – unterschiedliche Methoden dürfen verwendet werden, um ein vielseitiges Resultat zu erzielen. So sind alle GRAFT Projekte anders, können viel und oft auch mehr als üblich, sind jedoch verbunden durch eine gemeinsame Mentalität, einer kammermusikalischen Führung sozusagen. Auch im Tanz, der räumlichsten Musikkunst, entsteht ein körperliches Miteinander, in dem die Reaktion der Schaffenden aufeinander, die Kommunikation, eine große Rolle spielt.

Eingriff und Formung: Ein neuer Klangkörper entsteht

Ein Bechstein Klavier: das volumetrische Design (c) Bechstein Stiftung
Ein Bechstein Klavier: das volumetrische Design (c) Bechstein Stiftung

Bechstein entscheidet durch die Zusammenarbeit mit GRAFT den neuen Campus als hybriden Standort mit internationaler Anziehungskraft zu gestalten – beide Marken könnten ohne die jahrelange Zusammenarbeit vieler hochkompetenter Menschen heute nicht mehr existieren. GRAFT ist ein internationales Projekt, das in Los Angeles begann und mit viel Lebensfreude die Renaissance-hafte Vielseitigkeit der USA nach Berlin zurück importierte. Diese Kraft kann dem neuen Campus innewerden und den Stipendiaten der Bechstein Stiftung und dem Museum für Klaviere Anziehungskraft auf der nächsten Ebene verleihen. Ein musikalisches Wohnzimmer entsteht in der Europacity, ein zugänglicher Ort für alle Stadtbewohner, der für Visionen, Standfestigkeit und Qualität steht.

Axonometrie Carl Bechstein Campus (c) GRAFT
Axonometrie Carl Bechstein Zentrum (c) GRAFT

Die formelle Gebundenheit des programmatisch vielfältigen Volumens erfolgt durch die einheitliche Verwendung eines natürlich erdenden Fassadenmaterials: ein gebogener Ziegelvorhang zieht sich um die gesamte Kubatur des Campus. Die Ähnlichkeit zum Klangkörper eines Klaviers - der Carl Bechstein Campus bietet den renommierten Klavieren der Berliner Firma Platz zum spielen, ausstellen, reparieren und nicht zuletzt, vorführen.

Axonometrie, Carl Bechstein Campus (c) GRAFT
Axonometrie, Carl Bechstein Campus (c) GRAFT

Das Ziel des Gebäudekörpers ist es, Assoziationen hervorzurufen: Wie in der Szenografie und im Filmset, ist die komponierte Räumlichkeit eine zeitliche Abfolge von Verkörperungen und Erlebnissen. Das vor-konzipierte Raumempfinden ist eine Narrative, die GRAFT erzählen kann. Unterschiedliche Szenarien, von Business und Stiftungsorganisation, zu Abendkonzerten und Proberäumen – alles darf selbstverständlich und gleichzeitig stattfinden.

Polyphonie: Neue Akteure der Kammermusik und ihre Architektur


Der Carl Bechstein Campus knüpft an eine Tradition der Carl Bechstein Stiftung an: der wichtigste Kammermusiksaal des Casals Forums der renommierten Musikakademie Kronberg wurde nach dem Stifter „Carl Bechstein Saal“ benannt. Auch hier spielt architektonische Formgebung eine wichtige Rolle, der Entwurf von Staab Architekten spielt mit der Deckenkrümmung und bildet eine Musikkoje, nicht nur für Pianisten, sondern für alle Studenten der Akademie.

Carl Bechstein Saal, Casals Forum, Aussenansicht (c) Markus Ebener
Aussenansicht Carl Bechstein Saal, Casals Forum, Entwurf von Staab Architekten (c) Markus Ebener
Carl Bechstein Saal, Casals Forum, Innenraum (c) Patricia Truchsess
Innenraum,Carl Bechstein Saal, Casals Forum, 550 Zuhörerplätze (c) Patricia Truchsess

Berlin kennt bisher zwei weitere Kammermusiksäle, welche sich der Architekturtypologie der Mittelbühne bedienen: der zu der Berliner Philharmonie gehörige Kammermusiksaal von Hans Scharoun und der neuere von Frank Ghery entworfene Pierre Boulez Saal der Barenboim-Said Akademie mit einem ovalen, mit modularen Zuschauerplätzen und Bühnenfläche ausgestatteten Grundriss. Der aus dem 19. Jahrhundert stammende Kleine Saal des Konzerthauses von Karl Friedrich Schinkel ist mit der Schuhschachteltypologie mit einer klassisch frontalen, leicht erhöhten Bühne versehen.

Pierre Boulez Kammermusiksaal der Barenboim-Said Akademie, entworfen von Frank Ghery (c) Creative Commons Wikipedia
Pierre Boulez Kammermusiksaal der Barenboim-Said Akademie, entworfen von Frank Ghery, 2017 fertiggestellt, bietet 682 Gästen Platz (c) Creative Commons Wikipedia
Die Mittelbühne des Kammermusiksaals der Berliner Philharmonie, entworfen von von Hans Scharoun (c) Creative Commons Wikipedia
Die Mittelbühne des Kammermusiksaals der Berliner Philharmonie, entworfen von von Hans Scharoun, 1987 fertiggestellt, bietet 1136 Plätze (c) Creative Commons Wikipedia
Kammermusiksaal im Konzerthaus von K.F. Schinkel (c) Sebastian Runge
Kammermusiksaal im Konzerthaus, Entwurf von K.F. Schinkel, 1821 gebaut und 1984 wiederhergestellt (c) Sebastian Runge

Der neue Carl Bechstein Campus wird Pianisten, Stipendiaten und Kammermusikern gleich zwei, auf das Klavierspiel ausgerichtete Säle bieten, mit jeweils 500 und 100 Zuhörerplätzen. Der Entwurf von GRAFT entwirft zwei Bühnen im Typus Schuhkastentypologie für die Säle vor: der fokussierte Klang bietet die idealen akustischen Voraussetzungen für das Solospiel auf Klavier. Die akustische Abstimmung erfolgt mit dem renommierten Akustikspezialisten Tateo Nakajima der internationalen Fima Arup.
Die Bechstein Klaviere werden von der Carl Bechstein Stiftung hier zur Verfügung gestellt und vorgeführt.

Studentisches Wohnen für Stipendiaten der Carl Bechstein Stiftung (c) GRAFT
Studentisches Wohnen für Stipendiaten der Carl Bechstein Stiftung (c) GRAFT


So wie die Architektur, besteht die Welt der klassischen Musik aus einem großen, vielseitigen Team. Der Artistic Director oder Intendant bestimmt, wohin sich die Ideen und Programme der Konzertsäle hinbewegen und arbeitet eng mit den Dirigenten und Solisten des Hausorchesters zusammen. Diese Welt ist immer noch streng hierarchisch organisiert und bildet Klangkörper wie die Berliner Philharmoniker. Zu den Nachteilen dieser Art zu arbeiten, gehören die streng traditionsgewandten Strukturen, die ein offenes, modernes Programm erschweren. Oft hängt die Direktion der Institutionen direkt mit dem Staat zusammen, was eine Abhängigkeit kreiert, die bei einem privaten Stifter nicht oder anders existiert.

Die Kammermusik hat nicht nur an Räumen, sondern auch einen Reichtum an Akteuren gewonnen, da sogar bekannte Solisten wie Janine Jansen, Isabella Faust und Tabea Zimmermann das Format unterstützen und teilweise sogar präferieren. Die Vorteile sind oft mehr Gleichberechtigung und Zusammenarbeit, die Offenheit für Charakterstärke und Kommunikation bezüglich der Inhalte und des musikalischen Ausdruckes ermöglichen.

Piano Salon Christophori (c) GRAFT
Piano Salon Christophori (c) GRAFT
Werkhalle Wiesenburg (c) Werkhalle Wiesenburg
Classical Sundays (c) Werkhalle Wiesenburg
Stegreif Orchester (c) Alexander Ziegler
Stegreif Orchester (c) Alexander Ziegler
Tonhain Eingangssituation Bestand (c) Tonhain Berlin
Tonhain Kollektiv (c) Tonhain Berlin

Dementsprechend sind in Berlin zahlreiche neue Formate entstanden, die inklusiv und mit frischem Blut in den Adern gute, zeitgemäße Kammermusikprogramme zusammenstellen konnten. Beispiele für die architektonischen Hintergründe sind hier der Piano Salon Christophori, gegründet von Christoph Schreiber, der begabten jungen Musikern in einem ungewohnten, gemütliches Raumflair zur Verfügung stellt, der von Christiane Tietz gegründete Tonhain, oder auch Re-Use Projekte, welche bestehende Berliner Architektur-Orte wie das Funkhaus, das Kühlhaus, oder das Theater im Delphi zu neuen Konzertkammern umwandeln.

Gänzlich strukturfreie Formate wie Der klassische Sonntag in der Ruine der Werkhalle Wiesenburg oder das Stegreif Orchester als Improvisationsorchester zeigen eine neue Qualität in der langen Zeit verstaubt wirkenden Musikinterpretation. Quer-Wirkungen aus anderen Medien, wie die die Regency Ära nachahmende Netflix-Serie Bridgerton tragen zu einem weltweiten Revival der Kammermusik bei und bringen lebendige Musik "in die Kammern zurück". Die Sehnsucht nach sinnlichem, analogen Entertainment trägt wohl zu dieser Entwicklung bei – bei all diesen Beispielen ist das Konsumieren von Getränken während der Veranstaltung erlaubt.

Diese Lebendigkeit ist GRAFT zu eigen. Den Wunsch, Inhalte nicht nur digital und auf dem Bildschirm aufbereitet zu bekommen, sondern im lebendigen menschlichen Untereinander egalitär und vielseitig zu gestalten ist eines der Prinzipien der Arbeit von GRAFT. Denn Musik war immer schon ein Werkzeug mit dem nicht nur die Gründungspartner kommunizierten und Freundschaften knüpften, sondern auch in die Grundsteine ihrer Bürokultur verbauten.

Reprise: Ein Instrument für die Stadt

Lageplan (c) GRAFT
Lageplan (c) GRAFT

GRAFT konnte sich beim Entwurf des Carl Bechstein Campus seiner eigenen Methode und Wissenspraktik bedienen und diese mit seinen Erfahrungen in der Berliner Kreativwirtschaft koppeln. GRAFT als internationaler Akteur diskutiert und handelt mit bei Berliner Großprojekten wie dem ICC, der Revitalisierung des Flughafen Tegels oder Tempelhof. Als wirtschaftlich erfolgreiches Architekturbüro zeigt es der gelähmten deutschen Gesellschaft einen positiv verzerrenden Spiegel, das die richtigen Projekte großmaßstäblich zu denken wagt. GRAFT ist nun ein expandierendes Kreativhaus, das im neuen Bürostandort GRAFTLAB in Mitte seinen Anker geworfen hat und als Urban Enablers die richtige Ansprechpartner für Projekte sind, die Vergangenheit mit Zukunft, Kleines mit Großem interdisziplinär verbinden können.

Querschnitt Bechstein Campus (c) GRAFT
Querschnitt Carl Bechstein Campus (c) GRAFT

Im Carl Bechstein Campus werden die unterschiedlichen programmatischen Bedingungen durch eine skulpturale Fassade verbunden und verkörpern als poetische Erhöhung der Erzählung die Metapher des Instrumentes, die Leiblichkeit des Klavierkörpers. So entwickelt sich eine Methode zur urbanen Autonomie, das Gebäude entwickelt eine strahlende Unsagbarkeit. Die Zugänglichkeit wird nicht nur poetisch abstrakt, sondern konkret gewährleistet, denn der Campus ist diagonal durchquerbar und verbindet die Heidestr. mit dem Stadtteil Moabit.

Längsschnitt Carl Bechstein Campus (c) GRAFT
Längsschnitt Carl Bechstein Campus (c) GRAFT

Auf diesem Wege kann das wirklich Städtische entstehen: denn Urbanität heißt Lebendigkeit, Vielseitigkeit und Dynamik – der Carl Bechstein Campus wird kein stummes Gebäude, sondern eine die Musik unterstützende, großzügig gestaltete Konzentration von Raumzuständen.

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Ansicht Bechstein Campus (c) GRAFT
Ansicht Bechstein Campus (c) GRAFT