Der Johanna und Eduard Arnhold Platz – Ein Vorbild für heute

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Der Johanna und Eduard Arnhold Platz – Ein Vorbild für heute

Zur öffentlichen Erinnerung an das mäzenatische Stifterpaar Johanna und Eduard Arnhold und das zivilgesellschaftliche Engagement des jüdischen Bürgertums in Berlin wurde am Donnerstag, 17.6. erstmals das von Peter von Becker initiierte Projekt eines neuen Johanna und Eduard Arnhold Platzes in der Mitte Berlins vorgestellt: mit den ersten Entwürfen und Statements für eine künstlerisch-urbanistische Gestaltung durch GRAFT Gründungspartner Lars Krückeberg und den Künstler*innen Tatjana Doll, Julian Rosefeldt, Karin Sander.

Lars Krückeberg war 2018/2019 Stipendiat in der vom Ehepaar Arnhold an den Deutschen Staat gestifteten Villa Massimo in Rom, wo er das Projekt Relativer Kosmos – Fragmentierter Oikos realisierte.

Kulturforum, sogenannte »Piazzetta«, Mai 2021 © Thomas Albrecht
Kulturforum, sogenannte »Piazzetta«, Mai 2021 © Thomas Albrecht

Ziel der neu gegründeten Arnhold Initiative ist es, mit einer Würdigung des herausragenden Paares Johanna und Eduard Arnhold zugleich an eine Reihe mit ihnen verbundener, gleichfalls jüdischer Frauen und Männer zu erinnern, die für das öffentliche Leben in Berlin und darüber hinaus für ganz Deutschland einmal prägend gewirkt haben. Ihre Namen wurden durch die nationalsozialistische Barbarei ab 1933 ausgelöscht und ihre Lebensleistung aus dem öffentlichen Gedächtnis zumeist getilgt. Sie haben alle in näherer Nachbarschaft im einstigen Berliner Tiergartenviertel gelebt und können uns ein Vorbild für zivilgesellschaftliches Engagement heute sein.

Eduard Arnhold (1849–1925) © Archiv Arnhold-Nachfahren
Eduard Arnhold (1849–1925) © Archiv Arnhold-Nachfahren
Johanna Arnhold (1859 –1929) © Archiv Arnhold-Nachfahren
Johanna Arnhold (1859 –1929) © Archiv Arnhold-Nachfahren

Ihre Namen sind durch die nationalsozialistische Barbarei ab 1933 ausgelöscht worden, ihre Lebensleistung ist aus dem öffentlichen Gedächtnis zumeist getilgt, ihre Gesellschaftsschicht untergegangen – wie auch das frühere Berliner Tiergartenviertel. Dort fehlt für diese einstigen Bewohner und Mäzene bis heute eine unübersehbare öffentliche Erinnerung. Allein James Simon wird aus jenem Kreis jüdischer Bürger inzwischen auf der Museumsinsel mit der nach ihm benannten neuen Galerie zu Recht gewürdigt. Doch für die anderen gibt es kein ihrer Bedeutung angemessenes, längst überfälliges Zeichen. Bei dieser Leerstelle im kulturellen Gedächtnis Berlins darf es nicht bleiben. Darum will der Arnhold-Initiativkreis darauf hinwirken, dass im Tiergartenviertel auf dem Kulturforum zwischen Gemäldegalerie, Mattheikirchplatz und dem künftigen Museum für die Kunst des 20. Jahrhunderts ein Ort, der bisher (als sogenannte »Piazzetta«) urbanistisch eher als Unort erscheint, zum »JOHANNA UND EDUARD ARNHOLD PLATZ« wird. Zugleich soll dort nicht nur an das Paar Arnhold, sondern in seinem Namen und Geist auch an einige weitere herausragende Persönlichkeiten aus dem nachbarschaftlichen Umfeld erinnert werden.

Galerie Eduard Arnhold, Roter Saal mit Oberlicht © Archiv Arnhold-Nachfahren
Galerie Eduard Arnhold, Roter Saal mit Oberlicht © Archiv Arnhold-Nachfahren

Der Initiativkreis hat hierzu die Künstlerinnen und Künstler TATJANA DOLL, KARIN SANDER, LARS KRÜCKEBERG und JULIAN ROSEFELDT eingeladen, erste Ideenskizzen für eine mögliche Gestaltung des »Johanna und Eduard Arnhold Platzes« sowie seiner unmittelbaren Umgebung zu erarbeiten. Diese werden der Öffentlichkeit im Juni 2021 vorgestellt. Die vier Eingeladenen sind als frühere Stipendiaten der Villa Massimo und Rom-Preisträger mit dem Erbe Arnholds, des Stifters der Villa Massimo, verbunden. Ihre Vorschläge sind gedacht als ästhetische und urbanistische Beiträge zum kulturellen Gedächtnis wie auch als Brückenschlag zur Gegenwart: im Sinne Arnholds und mit Blick auf die hier am Ort versammelten Museen, die Philharmonie und die St. Matthäus-Kirche.

Für die Finanzierung des Projekts als öffentliche Aufgabe von Staat, Land und bürgerschaftlichem Engagement wird eine Form der Private-Public Partnership vorgeschlagen. Die Realisierung aller gestalterischen Ideen auf dem »JOHANNA UND EDUARD ARNHOLD PLATZ« sollte spätestens zum 100. Todestag Eduard Arnholds am 10. August 2025 erfolgt sein.

Exemplarische Namensliste:

JOHANNA UND EDUARD ARNHOLD

FELICIE UND CARL BERNSTEIN

PAUL CASSIRER UND TILLA DURIEUX, BRUNO CASSIRER

HEDWIG DOHM

ALFRED FLECHTHEIM

OSCAR HULDSCHINSKY UND PAUL HULDSCHINSKY

ELSE LASKER-SCHÜLER

MAX LIEBERMANN

JULIUS MEIER-GRAFE

EMIL UND WALTER RATHENAU

LOUIS SACHS

EDUARD UND JAMES SIMON

HERWARTH WALDEN

Salon mit Gemälden u.a. von Edouard Manet, Alfed Sisley und Claude Monet © Archiv Arnhold-Nachfahren
Salon mit Gemälden u.a. von Edouard Manet, Alfed Sisley und Claude Monet © Archiv Arnhold-Nachfahren

Diese Initiative wird unterstützt von

Daniel Barenboim • Hetty Berg • Joachim Blüher • Friedrich Christian Delius • Julia Draganovic • Heide und Heinz Dürr • Ulrich Eckhardt • Jürgen Flimm • Durs Grünbein • Volker Hassemer • Wolfgang Huber • Navid Kermani • Barbara Klemm • Norbert Lammert • Hannes Langbein • Klaus-Dieter Lehmann • Wolf Lepenies • Nina von Maltzahn • Christoph Markschies • Ulrich Matthes • Jeanine Meerapfel • Klaus Mertes • Herta Müller • Andreas Nachama • Michael Naumann • Kai Uwe Peter • Peter Raue • Rachel Salamander • Julietta Scharf • Volker Schlöndorff • Regina Schmeken • Peter Schneider • Julius H. Schoeps • Bernd Schultz • Peter -Klaus Schuster • Hermann Simon • Christian Stäblein • Barbara Stollberg-Rilinger • Marie Warburg • Gesine Weinmiller • Ina Weisse • Angela Winkler • Rudolf Zwirner

Berlin, im Juni 2021

Für den Initiativkreis: Thomas Albrecht • Peter von Becker • Brigit Blass-Simmen • Ernst Brenning • Christoph H. Kunheim • Olaf Lemke • Christhard-Georg Neubert • Lea Rosh • Christoph Stölzl

Ideenskizze von Lars Krückeberg: Fragment des Gartens der Villa Massimo mit Arnhold-Meridian – Johanna und Eduard Arnhold Platz © 2021 Lars Krückeberg mit GRAFT Architekten
Ideenskizze von Lars Krückeberg: Fragment des Gartens der Villa Massimo mit Arnhold-Meridian – Johanna und Eduard Arnhold Platz © 2021 Lars Krückeberg mit GRAFT Architekten

Design von Lars Krückeberg mit GRAFT Architekten:

Der Arnhold-Garten und der Meridian des Tiergartenviertels

Von dem grossen bürgerlichen Engagement der Arnholds, ihrer vorbildlichen Unterstützung der modernen Kunst und den Orten ihres Wirkens hat im Grunde nichts überlebt. Die Erinnerung an die Arnholds ist nahezu ausgelöscht. Lediglich die Villa Massimo in Rom, mit seinem wundervollen Garten und den Atelierhäusern grosszügig von den Arnholds dem deutschen Staate und seinen Künstlern geschenkt, ist lebendiger denn je. Das Motiv eines giardino pensile, der eine Heimstatt bildet für mentale Räume, ist bis heute eine Art Sehnsuchtsbild, dass den Deutschen wohlbekannt ist und nicht nur die Arnholds zu Suchenden im Süden werden ließ.

Ideenskizze von Lars Krückeberg: Fragment des Gartens der Villa Massimo mit Arnhold-Meridian – Johanna und Eduard Arnhold Platz © 2021 Lars Krückeberg mit GRAFT Architekten
Ideenskizze von Lars Krückeberg: Fragment des Gartens der Villa Massimo mit Arnhold-Meridian – Johanna und Eduard Arnhold Platz © 2021 Lars Krückeberg mit GRAFT Architekten

Die Deutsche Akademie in Rom ist das einzig überlebende Werk der Arnholds. Um auf diesen lebendigen Ort in Rom zu verweisen schlagen wir vor, einen Ausschnitt aus diesem Garten in das Kulturforums einzuschneiden und zu transportieren. In einer Art gedanklicher Archäologie entdecken wir ein Stück Villa Massimo auf dem Berliner Kulturform. Ein über sich hinausweisender Ort der Ruhe und Besinnung entsteht genau dort, wo die Erinnerung an die Wohnstatt und das Wirken der Arnholds verschwunden ist – beleuchtet mit derselben Sonne, die über Rom und Berlin steht.

Der Gedanke des Lichtes und der vergessenen Lebenszyklen des deutsch-jüdischen Bürgertums im Tiergartenviertel erweitert das Motiv eines Hortus conclusus mit dem eines sinnstiftenden Meridians. Dieser soll aber durch Licht und nicht durch Schatten agieren und durch das Anzeigen des Tages vor allem vergessene Zeiten beleben. Der Lichtpunkt eines katoptrischen Spiegelgnomons im Garten wird so über das Jahr hinweg am Mittag den Meridian berühren und hier die Geburtstage oder wichtige Ereignisse aus dem Leben bedeutender Menschen aus dem Tiergartenviertel beleuchten, eine Art wiederkehrendes spotlight auf vergessene Geschichte und Geschichten. Dies wird exemplarisch nahe des Sommersolstitiums: kurz bevor der Sonnenfleck am 21.Juni umkehrt, wird er für 4 Tage eine Plakette/Relief/Gedenkfläche der Arnholds illuminieren, die am 10. (Eduard) und 14.Juni (Johanna) Geburtstag hatten. An diesem Ort verbindet sich der Meridian und sein Licht mit dem Garten.

So entsteht eine Licht-, Zeit- und Raumbeziehung zwischen den Arnholds und weiteren Protagonisten des verschwundenen jüdischen Lebens an diesem Ort: der Meridian des Tiergartenviertels und der Garten der Arnholds.

 Lars Krückeberg
Lars Krückeberg © Pablo Castagnola

Über Lars Krückeberg

Lars Krückeberg, 1967 in Hannover geboren, studierte Architektur an der Technischen Universität Braunschweig, der Università degli Studi di Firenze und dem Deutschen Institut für Kunstgeschichte in Florenz. Er machte seinen Abschluss als Dipl.-Ing. Arch. in Braunschweig und erhielt seinen Masterdegree in Architektur am SouthernCalifornian Institute of Architecture SCI Arc, Los Angeles.

Nach Gastprofessuren an der Hafen City Universität Hamburg sowie der RWTH Aachen hatte Lars Krückeberg 2017/18 eine Gastprofessur an der TU Delft inne. 1998 gründete Lars Krückeberg in Berlin das Büro GRAFT Architects gemeinsam mit Wolfram Putz und Thomas Willemeit. GRAFT hat seitdem zahlreiche internationale Preise gewonnen. Inzwischen beschäftigt GRAFT rund 150 Architekten und Designer weltweit. 2009 gründeten

GRAFT und Andreas Spiess die Solarkiosk AG, deren Tochtergesellschaften inzwischen in zehn Ländern ansässig sind. Mit GRAFT Brandlab gründeten Lars Krückeberg, Wolfram Putz und Thomas Willemeit zusammen mit Linda Stannieder im Jahr 2014 eine Kommunikationsagentur, die an der Schnittstelle zwischen Architektur, Design und Branding agiert. Gemeinsam mit drei weiteren Unternehmen aus der Projektentwicklung und Kommunikation gründete GRAFT im Jahr 2015 die Firma Heimat2, die nachhaltige Wohnanlagen in Modular- und Systembauweise für die schnelle Errichtung von Flüchtlingsunterbringungen anbietet.

Zusammen mit Marianne Birthler kuratierten Lars Krückeberg, Wolfram Putz und Thomas Willemeit den Deutschen Pavillon bei der Architekturbiennale 2018 in Venedig mit dem Projekt »Unbuilding Walls«. Davor kuratierte Krückeberg mehrere Ausstellungen u.a. in Berlin, Hamburg, München, New York, Karlsruhe, Los Angeles und Riga. 2018/19 war Lars Krückeberg Stipendiat und Preisträger der Deutschen Akademie Villa Massimo in Rom. Krückebergs Vorschläge für eine Gestaltung des »johanna und eduard arnhold platzes« auf dem Kulturforum in Berlin-Tiergarten schlagen, ganz im Geiste des auch in Florenz und Rom engagierten Stifterpaares Arnhold, eine motivische Brücke zwischen Berlin und Italien. An seinem Entwurf mitgearbeitet haben Wolfram Putz und Thomas Willemeit.